Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hebt mit Beschlüssen vom 30. No-vember und 6. Dezember 2016 die Nichtanhandnahmeverfügung der Bundesanwalt-schaft teilweise auf und weist die Bundesanwaltschaft an, ein Untersuchungsverfahren gegen die Volkswagen AG, die AMAG Automobil- und Motoren AG („AMAG“) und die verantwortlichen Organe bzw. die Angestellten der AMAG wegen Betrugs und allfälliger weiterer Delikte zu eröffnen.
Im September 2015 wurden in den Medien die Vorgänge rund um die manipulierten Abgas-werte bei Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns publik. Zwischen Oktober 2015 und Ende März 2016 gingen in der Folge bei der Bundesanwaltschaft und verschiedenen kantonalen Staatsanwaltschaften gegen die Volkswagen AG in D-Wolfsburg und deren Organe sowie gegen die AMAG und deren Organe rund 2‘000 Strafanzeigen ein wegen Betrugs und unlauteren Wettbewerbs. Die Anzeigen wurden von Beginn weg bei der Bundesanwaltschaft zusammengeführt.
Mit Nichtanhandnahmeverfügung vom 26. bzw. 27. Mai 2016 verfügte die Bundesanwalt-schaft, dass gegen die Angezeigten keine Strafuntersuchung eröffnet werde. Soweit sich die Strafvorwürfe gegen die verantwortlichen Organe der Volkswagen AG und gegen die Volks-wagen AG in Deutschland richten, begründete die Bundesanwaltschaft ihren Entscheid damit, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig die mutmassliche Täterschaft in Deutschland we-gen der hier interessierenden Straftaten bereits verfolge. Die deutschen Behörden hätten die Übernahme der Strafverfolgung bestätigt. Deshalb sei auf eine Strafverfolgung gegen die verantwortlichen Organe der Volkswagen AG und gegen die Volkswagen AG in der Schweiz zu verzichten. Mit Bezug auf die Strafvorwürfe gegen die verantwortlichen Organe der AMAG und die AMAG selbst war die Bundesanwaltschaft der Ansicht, dass keine konkreten Anhaltspunkte für einen hinreichenden Tatverdacht vorlägen, um eine Strafuntersuchung zu eröffnen.
Die von den Privatklägern erhobenen Beschwerden hat die Beschwerdekammer insofern abgewiesen, als sich die Nichtanhandnahme auf die Organe der Volkswagen AG als natürli-che Personen bezieht. Als die Bundesanwaltschaft die Anhandnahme der Strafuntersuchung prüfte, führte die Staatsanwaltschaft in Braunschweig bereits ein strafrechtliches Ermittlungs-verfahren gegen die betreffenden Personen. Mit Bezug auf die Volkswagen AG selbst hat die Beschwerdekammer die Beschwerden hingegen gutgeheissen, weil das deutsche Recht kein Unternehmensstrafrecht wie im schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB) kennt. In Frage käme nach Schweizer Recht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Volkswagen AG, die subsidiär gegenüber einer allfälligen Bestrafung der Organe ist. Im deutschen Strafverfahren ist eine Geltendmachung von Zivilansprüchen gegen die Volkswagen AG selbst ausgeschlossen. Damit stehen berechtigte Interessen der Privatkläger an einer Abtretung der Strafverfolgung an die deutschen Behörden entgegen. Ebenso hat die Beschwerdekammer die Beschwerden gutgeheissen, soweit sich die Vorwürfe gegen die AMAG und deren Organe richten. Es bestehen jahrzehntelange, enge geschäftliche Verbindungen der AMAG mit der Volkswagen AG. Deshalb ist es nicht mit Sicherheit ausgeschlossen, dass Organe oder einzelne Angestellte der AMAG von ihrer deutschen Vertragspartnerin über die manipulierten Abgaseinrichtungen in Kenntnis gesetzt worden sind, bevor dies im September 2015 in den Medien publik wurde und die AMAG diesen Umstand direkt oder über ihre (unwissenden) Vertragspartner den Automobilkäufern verschwiegen hat. Nach Auffassung des Gerichts hätte die Bundesanwaltschaft zur Klärung dieser Frage entsprechende Ermittlungen tätigen müssen. Nur bei offensichtlicher Straflosigkeit kann auf die Eröffnung einer Strafuntersuchung verzichtet werden. Im Zweifelsfall muss die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung eröffnen.
Der Entscheid ist rechtskräftig.
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Bundesstrafgericht, Mascia Gregori Al-Barafi, Generalsekretärin und Medienbeauftragte, Tel. 058 480 68 68, E-Mail: presse@bstger.ch