03.03.2008
Ein Jahr unter dem neuen Bundesgerichtsgesetz – gemeinsame Medienmitteilung der eidgenössischen Gerichte



Gemeinsame Medienmitteilung des Bundesgerichts (BGer), des Bundesstrafgerichts (BStGer) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) zu den Geschäftsberichten 2007

Ein Jahr unter dem neuen Bundesgerichtsgesetz: Ein Rückblick auf das Jahr 2007

Zum ersten Mal fand am 29.2.2008 eine gemeinsame Medienkonferenz der drei eidgenössischen Gerichte (Bundesgericht, Bundesstrafgericht, Bundesverwaltungsgericht) am Sitz des Bundesgerichtes in Lausanne statt. Anlass bot die Präsentation der drei erstmals in einem Band veröffentlichten Geschäftsberichte. Präsidiert wurde die Medienkonferenz durch Bundesgerichtspräsident Arthur Aeschlimann. Neben dem Bundesgerichtspräsidenten traten als Referenten Bundesstrafgerichtspräsident Alex Staub und Bundesverwaltungsgerichtspräsident Christoph Bandli auf. Begleitet wurden die Präsidenten durch den stellvertretenden Generalsekretär Patrick Guidon (Bundesstrafgericht) und die stellvertretende Generalsekretärin Placida Grädel-Bürki (Bundesverwaltungsgericht). Auf Seiten Bundesgericht übernahmen Generalsekretär Paul Tschümperlin die technische Moderation und Doris Schwalm als Kommunikationsbeauftragte Organisation und Planung der Medienkonferenz.

In seiner Ansprache hielt der Bundesgerichtspräsident Rückschau auf ein für die schweizerische Rechtspflege sehr bedeutsames Jahr 2007. Am 1.1.2007 traten das neue Bundesgerichtsgesetz (BGG), das neue Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG) und die neue Rechtsweggarantie in Kraft. Gleichzeitig nahmen per 1.1.2007 das mit dem Eidgenössischen Versicherungsgericht (EVG) vereinigte Bundesgericht sowie das neue Bundesverwaltungsgericht ihre Arbeit auf.

Das erste Jahr unter der neuen Justizorganisation kann als Erfolg bezeichnet werden. Der Start in die neue Bundesrechtspflege ging ohne nennenswerte Probleme vonstatten. Anfängliche Schwierigkeiten konnten die drei eidgenössischen Gerichte im Verlauf des Jahres zum grossen Teil beheben. Die drei Gerichte blicken auf ein weitgehend stabiles Jahr 2008 hinaus, in dem sich die neuen Gerichtsstrukturen, Prozesse und Verfahren einspielen und ein weiterer Pendenzabbau möglich sein werden.

Pressemitteilung des Bundesgerichtes

Per 1.1.2007 fusionierte das Eidgenössische Versicherungsgericht EVG mit dem Bundesgericht. Dies brachte tiefgreifende organisatorische Veränderungen mit sich. Das ehemalige EVG wurde in zwei sozialrechtliche Abteilungen gegliedert, die ihren Sitz in Luzern haben. Zwischen allen Abteilungen wurde die Rechtsmaterie teilweise neu verteilt und die Anzahl der Richter/innen und Gerichtsschreiber/innen neu festgelegt. Die Zahl der Richter sank von 41 auf 38.

Die Sozialrechtlichen Abteilungen verzeichneten einen deutlichen Rückgang der Beschwerden. Die Statistik weist 7'195 Eingänge im Vergleich zu 7'861 im Vorjahr (2006) aus. Von einer realen Geschäftsentlastung kann jedoch nicht gesprochen werden, denn gemäss BGG wurden 2007 viele Fälle mit einer Einheitsbeschwerde anhängig gemacht, die früher mit zwei Rechtsmitteln an das Bundesgericht gezogen und entsprechend erfasst worden wären. Bei einem Vergleich mit dem OG sind 773 Fälle hinzuzuzählen, womit sich ein effektiver Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr von 109 Fällen ergibt. Das Bundesgericht erledigte 7'994 Fälle im Vergleich zu 7'626 im Vorjahr. Es konnte damit 799 Fälle mehr erledigen als neue eingingen. Die durchschnittliche Prozessdauer betrug 155 Tage (Vergleich 2006: 104 Tage in Lausanne, 292 Tage in Luzern).

Die dem Bundesgericht mit dem BGG neu zugefallene Aufsichtstätigkeit über das BStGer und das BVGer hat sich per Ende 2007 grundsätzlich bewährt. Im März 2007 führte die Verwaltungskommission des Bundesgerichts als Aufsichtsbehörde eine erste Aussprache über die verschiedenen Aufsichtsthemen durch. Im April wurde das Budget für 2008 besprochen. Im Juli und Oktober fanden jeweils eine Aufsichtssitzung mit den Verwaltungskommissionen des BVGer in Bern und mit dem BStGer in Bellinzona statt. Zur Erleichterung der Aufsichtsabläufe erarbeitete das Bundesgericht 2007 ein Konzept für die regelmässigen Aufsichtsgeschäfte.

Das Bundesgericht widmete sich 2007 auch wichtigen Verwaltungsgeschäften. Es führte 2007 das neue Rechnungsmodell NRM ein, vermehrte die interne und externe Kommunikation, verfeinerte seine Statistik (Controlling) und entwickelte die Informatik weiter. Auch war das Bundesgericht international präsent: Bundesrichter/innen nahmen an mehreren internationalen Konferenzen teil.

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass sich das neue BGG und die damit einhergehenden Veränderungen in Struktur und Organisation für das Bundesgericht grundsätzlich bewährt haben. Die Wirkungen der neuen Bundesrechtspflege werden sich jedoch im Verlauf des Jahres 2008 klarer abzeichnen. 

Kontakt: Bundesgericht, Doris Schwalm, Kommunikationsbeauftragte

Tel. 021 318 97 11

E-Mail: doris.schwalm@bger.admin.ch

Pressemitteilung des Bundesstrafgerichtes

Das Bundesstrafgericht konnte im vierten Amtsjahr seit dem Start am 1. April 2004 einen weiteren Schritt vorwärts machen. Die Zuständigkeit seit Anfang 2007 im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen brachte nebst der neuen Herausforderung gleichzeitig die gewünschte Verbreiterung der personellen Basis für eine Rechtsprechungstätigkeit als einziges kleineres, dreisprachiges Gericht der Schweiz. Bei der Strafkammer als erstinstanzlichem Strafgericht waren markant mehr Eingänge (33; Vorjahr 25) zu verzeichnen. Die Anzahl Beschwerden im Bereich der Rechtshilfe (211) lag leicht unter den Erwartungen, während sie im Bereich des Strafverfahrens, namentlich in Bezug auf Ermittlungen bei der Bundesanwaltschaft und Voruntersuchungen beim Untersuchungsrichteramt, deutlich zurückging (169; Vorjahr 306). Trotz erheblich höherer Erledigung (24; Vorjahr 11) führte die markante Zunahme von Eingängen bei der Strafkammer zu einem höheren Pendenzenstand; gehen innert kurzer Zeit mehrere Anklagen in derselben Sprache ein, führen die beschränkten Ressourcen notgedrungen zu einer gestaffelten Erledigung. Die Anzahl hängiger Verfahren bei den Beschwerdekammern erlaubt einstweilen weiterhin eine Erledigung innert angemessener Frist. Es stellt für das Bundesstrafgericht in diesem Sinne nach wie vor eine besondere Herausforderung dar, mit der notwendigen personellen Flexibilität eine Rechtsprechung in den drei Sprachen ohne wesentliche Verzögerung zu gewährleisten.

Beim Untersuchungsrichteramt, welches unter der administrativen und fachlichen Aufsicht des Bundesstrafgerichts steht, konnte erfreulicherweise ein erheblicher Abbau der Pendenzen (42; Vorjahr 51; exkl. die vorläufig eingestellten Verfahren) erreicht werden. Besorgnis erregt, dass sich bei einzelnen Verfahren der Abschluss der Untersuchung weiter hingezogen hat; dies zeigt, dass – abgesehen von Aufwand und Komplexität der Verfahren – das Strafverfolgungsmodell des Bundes an seine Grenzen stösst. Knapp die Hälfte der älteren Verfahren (über drei Jahre hängig) stammt aus dem italienischen Sprachbereich, in dem in den letzten zwei Jahren grosse personelle Fluktuationen zu verzeichnen waren. Die Vorbereitungen für eine Integration des Untersuchungsrichteramtes in die Bundesanwaltschaft auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Schweizerischen Strafprozessordnung sind getroffen. Die weiteren Schritte werden im Verlaufe des Jahres 2008 eingeleitet.

Bei der Bundesanwaltschaft, welche unter der fachlichen Aufsicht der I. Beschwerdekammer steht, sind deutliche Fortschritte erkennbar. Diese stimmen zuversichtlich, dass es den Strafverfolgungsbehörden des Bundes zunehmend besser gelingen wird, die Verfahren im Zuständigkeitsbereich des Bundes durchwegs sowohl kompetent als auch effizient zu führen. Das Ziel muss es sein, die Zeitspanne einer Verdächtigung entsprechend der Art und des Umfangs des Verfahrens angemessen zu beschränken. Die Bundesanwaltschaft, in welche das Untersuchungsrichteramt integriert wird, soll als fachliches Kompetenzzentrum des Bundes aufgebaut werden können; die im Projekt zur Umsetzung der Effizienzvorlagen angestrebte „Konzentration der Kräfte“ ist insofern zu begrüssen und konsequent umzusetzen. Mit dem Auf- und Ausbau des Kompetenzzentrums Wirtschaftsprüfung soll die Bundesanwaltschaft auch für die Übernahme von grösseren Wirtschaftsstraffällen gerüstet werden. Zu diesem Zweck und mit dieser Zielsetzung muss der Bundesanwaltschaft noch einige Jahre Zeit gewährt werden und verdienen ihre Aus- und Weiterbildungsanstrengungen Unterstützung.

Kontakt: Bundesstrafgericht, Patrick Guidon, stv. Generalsekretär

Tel. 091 822 62 62

E-Mail: patrick.guidon@bstger.admin.ch

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes

Das Bundesverwaltungsgericht als jüngstes, aber grösstes der drei Gerichte des Bundes, blickt insgesamt auf ein schwieriges, aber erfolgreiches erstes Geschäftsjahr zurück. Es nahm am 1. Januar 2007 mit 72 Richterinnen und Richtern und rund 260 Mitarbeitenden seine Tätigkeit auf und ersetzte 36 Rekurskommissionen und departementale Beschwerdedienste. Nach gewissen Startschwierigkeiten konnte sich das Gericht im Verlaufe des Jahres immer besser auf seine Hauptaufgabe konzentrieren und die Behandlung der übernommenen und neu eingehenden Verfahren vorantreiben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat von den Vorgängerorganisationen insgesamt 7'483 Verfahren übernommen. Während des Berichtsjahres gingen weitere 8'554 Verfahren ein; 7'560 Urteile wurden gefällt. Die Pendenzen beliefen sich Ende des Berichtsjahres somit auf 8'477 Verfahren. Während einzelne Abteilungen mit den Eingängen Schritt halten konnten oder die hängigen Verfahren nur wenig anstiegen, wurde das Gericht durch neu eingehende Verfahren aus dem Bereich der Invalidenversicherung überrascht. Eine Gesetzesänderung – in Kraft getreten Mitte 2006 – führte zur Abschaffung des Einspracheverfahrens und öffnete die direkte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dies hatte zur Folge, dass die Eingänge in diesem Bereich gegenüber 2005 um fast 280 Prozent zunahmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit internen Massnahmen auf diese Situation reagiert und zudem der Gerichtskommission der Bundesversammlung zwei zusätzliche Richterstellen beantragt, welche umgehend bewilligt und ausgeschrieben wurden. Im Zusammenhang mit den hängigen Verfahren aus dem Asylbereich, unter welchen sich Verfahren befinden, die schon längere Zeit hängig sind, werden zur Zeit Massnahmen zum beschleunigten Abbau der Pendenzen geprüft.

Von den 7'560 Entscheiden im Berichtsjahr hätten 1'692 Verfahren mit Beschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können; effektiv angefochten wurden 220 Verfahren, was einer Anfechtungsquote von 13 Prozent entspricht. Davon wurden durch das Bundesgericht im gleichen Zeitraum 110 Verfahren entschieden; in 9 Entscheiden (8%) wurde die Eingabe gutgeheissen oder zur Neubeurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen, in 46 Verfahren (42%) wurde die Beschwerde abgewiesen und in 55 Entscheiden (50%) wurde auf die Eingabe nicht eingetreten oder wurde sie als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

Kontakt: Bundesverwaltungsgericht, Magnus Hoffmann, Medienbeauftragter

Tel. 058 705 29 86

E-Mail: magnus.hoffmann@bvger.admin.ch





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